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Leitbilder und Repräsentationsräume in Paris, Rouen, Caen und Le Havre: Erinnerungsorte, Denkmalkultur und Wiederaufbau im historischen Stadt-Raum im 20. Jahrhundert
Modul 2: Dekonstruktion & Rekonstruktion
Mi 10-12 • TEL 304 • Beginn: 21.10.2009
Stadt ist ein
sozialer Raum, dessen hohe Identifikationskraft auf langen Traditionen
repräsentativer Stadtwahrnehmung und zielgerichteten Stadtumbaus
basiert. Gesteigert durch ihre zentrale Hauptstadtfunktion nahm Paris
schon mehr als zehn Jahrhunderte eine Leitbildfunktion für die
entstehende französische Nation ein, ehe diese Bedeutung im Verlauf
des 19. und des 20. Jahrhunderts durch einen monumentalen
Hauptstadtumbau und durch eine flächendeckende Denkmalkultur noch
einmal symbolisch gesteigert wurde. Durch die Errichtung von
architektonisch ebenso innovativen wie umstrittenen Baudenkmälern
haben französische Staatspräsidenten wie Georges Pompidou und
François Mitterrand die eigene politische Bedeutung im öffentlichen
Raum „verewigt". Dadurch und über die Denkmalkultur ganz
allgemein wurde eine bestimmte Deutung von französischer Geschichte
in den Pariser Stadtraum ein- und festgeschrieben.
Im
Kooperationsseminar sollen diese „Erinnerungsorte" in ihrer
Funktion als Orte nationaler Sinnstiftung und Identitätsbildung
analysiert werden. Dass Metropolen ein Gedächtnis besitzen, sich als
Erinnerungslandschaften verstehen und lesen lassen, in denen sich das
Selbstverständnis einer Nation und dessen Transformationen spiegeln,
davon zeugen zunehmend auch Literatur und Film, was sich z.B. am
auffälligen Boom nostalgischer Paris-Filme ablesen lässt. Es fragt
sich, in welcher Weise darin auf die herkömmlichen, klischeehaften
Parisbilder Bezug genommen oder ob diese eventuell kritisch oder
ironisch reflektiert werden. Auch dies soll Gegenstand des Seminars
sein.
In einem zweiten Themenfeld soll die Erinnerungskultur in
den normannischen Großstädten Rouen, Caen und Le Havre vor dem
Hintergrund ihrer Zerstörungen in der Endphase des Zweiten
Weltkrieges und der umfassenden Wiederaufbau-Anstrengungen analysiert
werden. Dazu zählt auch die identifikationsprägende Bedeutung des
nationsweit bedeutenden „Memorial" in Caen, des zentralen
Erinnerungsmuseums über die Befreiungsschlacht in der Normandie
1944.Die Teilnahme an diesem Seminar im Bereich Historische Urbanistik
ist für Studierende der Französischen Philologie und der Geschichte
nach Rücksprache mit den Veranstaltern offen.
Literatur:
Mechtild Gilzmer, Denkmäler als Medien der
Erinnerungskultur in Frankreich seit 1944, München 2007, Régine
Robin, Berlin, Gedächtnis einer Stadt. Transit Verlag Berlin 2005,
Régine Robin, Mégapolis. Les derniers pas du flâneur. Paris 2009,
Klaus Schüle, Paris: die kulturelle Konstruktion der französischen
Metropole. Alltag, mentaler Raum und sozialkulturelles Feld in der
Stadt und in der Vorstadt, Opladen 2003, Georg Wagner-Kyora, Schloss
ohne Geschichte. Der Braunschweiger Wiederaufbau-Konflikt 1950-2007,
Berlin 2009, Cécile Wajsbrot, L'Ile aux musées. Paris 2008.