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Gebauter, gelebter und gestalteter Raum: Stadtentwicklung, Stadtplanung und Stadtrepräsentation in der europäischen Stadt seit der Antike
Modul
3: Öffentlicher Raum und Stadtkultur
Mi 16-17 Uhr • TEL
304 • Beginn: 20.10.2010
Stadtgeschichte ist auf der
Grundlage der Urbanisierungsgeschichte und unter dem Einfluss des
spatial turn seit etwas mehr als zehn Jahren auch mit der
Körpergeschichte vernetzt worden. Die ältere Urbanisierungsforschung
hat damit eine neue Wendung erhalten, auch wenn Stadtgeschichte auf
traditionellen Feldern weiterhin produktiv positioniert werden kann.
Sie fragt nach der Stadtplanung, welche geeignet war, eine
Stadtentwicklung nach den Bedürfnissen der Gesellschaft zu
verändern: Denn die Akteure im Raum der Stadt konfigurieren den
Begegnungsraum der Vielen, davon gingen schon immer alle europäischen
Stadtutopien aus. Stadtforscher wollen die Orte im sozialen Raum
bestimmen, die dynamische Innovation politischer, sozialer und
kultureller Praktiken ermöglichten. Den Alltag der Stadtbürger zu
gestalten, war ein Anliegen der Stadtplaner. Dazu zählten neue Formen
für den großen Platz, die Straße und das Haus ebenso wie für die
Repräsentationsbauten, die Kirchen, Rathäuser, Zunfthäuser und
Stadtpaläste.
Neuere Stadtgeschichte fragt auch nach den
Sinndeutungen von Stadt in städtischen Repräsentationsräumen, in
Narrativen und Historisierungen, schließlich auch nach den
politischen Überformungen durch Hauptstadtplanungen, aber auch durch
den Tourismus. Auch die Stadt im Wiederaufbau nach den Katastrophen
positionierte den Stadtraum neu und damit auch die Stadtgesellschaft
und ihre Selbstwahrnehmung.
In der Vorlesung wird die
Europäische Stadtgeschichte ab urbe condita, also seit dem Antiken
Rom und den griechischen Poleis analysiert. Für die Perioden des
Mittelalters, der Frühen Neuzeit und auch für die moderne
Stadtentwicklung der letzten zweihundert Jahre sind neuere
Forschungsfragen aufgeworfen worden, etwa die Frage nach dem Habitus
der Stadt, nach der „Eigenlogik" und nach den „lesbaren"
Elementen einer Stadtsemiotik, einer auf die Stadt angelegten
Zeichenlehre der sichtbaren Zeugen von Stadtgeschichte, die in der
Vorlesung dargestellt und vergleichend analysiert werden. Im
Anschluss an die Vorlesung findet in der Zeit von 17-18 Uhr ein für
die Hörer/innen verbindliches Lektüreseminar zur Vorlesung statt. Es
werden Grundlagentexte vertiefend diskutiert, die einschlägig zu
Problemen der empirischen und theoretischen historischen
Stadtforschung Stellung nehmen und die Basis für methodische und
thematische Analyseschwerpunkte in der Historischen Urbanistik
abgeben.
Literatur: Leonard Benevolo, Die Geschichte der
Stadt, Frankfurt/Main/ New York 1991 (6. Aufl.), Jörg Oberste (Hg.),
Repräsentationen der mittelalterlichen Stadt, Regensburg 2008,
Eva-Maria Seng, Stadt-Idee und Planung. Neue Ansätze im Städtebau
des 16. und 17. Jahrhunderts, München/Berlin 2003, Heinz Reif, Die
verspätete Stadt. Industrialisierung, städtischer Raum und Politik
in Oberhausen 1846-1929, Köln 1993, Heinz Reif (Hg.): Berliner
Villenleben. Die Inszenierung bürgerlicher Wohnwelten am grünen Rand
der Stadt um 1900. Schriftenreihe des Landesarchivs Berlin Bd. 12,
Berlin,2008, Adelheid von Saldern (Hg.), Inszenierter Stolz.
Stadtrepräsentationen in drei deutschen Gesellschaften (1935-1975),
Stuttgart 2005, Helmuth Berking, „Städte lassen sich am Gang
erkennen wie Menschen" - Skizzen zur Erforschung der Stadt und
der Städten, in: ders./ Martina Löw (Hg.), Die Eigenlogik der
Städte. Neue Wege für die Stadtforschung, Frankfurt/M. 2008, S.
15-31.